Niederschlag
Mai 1999
Vom 4. bis 22. Mai 1999 war das Wetter besonders auf der Alpennordseite regnerisch. Dabei kam es vom 11. bis 14. Mai 1999 und erneut am 21. Mai 1999 zu extremen Starkregen, die grosse Hochwasserschäden zur Folge hatten. In der Deutschschweiz ergaben sich extreme Monatssummen. In den zentralen und östlichen Voralpen waren es die grössten Regensummen aller Mai-Monate dieses Jahrhunderts.
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Phase 1: Extremes Hochwasser in der Deutschschweiz nach dem Starkregen vom 11./12. Mai 1999
Am 11. Mai 1999 kam eine in West-Ost-Richtung langgestreckte Luftmassengrenze über die Alpennordseite zu liegen. Die feuchte Warmluft wurde zwischen der Kaltluft im Norden und den Alpen hochgepresst. Bei konstanter Windrichtung blieb die Zone maximaler Regenintensitäten am 12. Mai 1999 über viele Stunden ortsfest. In Buchs-Suhr fielen in 18 Stunden 103 l/m2 Regen, mehr als normalerweise im ganzen Monat Mai (92 l/m2).
Die extremen Regenfälle führten besonders in der Nordostschweiz und in den Kantonen Zürich und Aargau zu lokalen Überschwemmungen durch kleine Bäche und Flüsse. Die Limmat setzte Uferwege unter Wasser. In der Nacht zum 13. Mai 1999 schwoll der Rhein unterhalb Koblenz auf Rekordhöhe an. In der Altstadt Rheinfeldens stand das Wasser bis 150 cm tief. Auch Teile von Kleinbasel wurden überschwemmt. In der Deutschschweiz wurden viele Bahnlinien unterbrochen und Strassen kurzfristig unpassierbar. Eine Mure brachte in Aathal (ZH) einen Zug zum Entgleisen. Lokale Schäden entstanden, weil viele Bacheinlässe für solche Wassermengen zu klein dimensioniert sind. Da vor der Automatisierung der Messungen die Regenmengen morgens um 07.30 Uhr bestimmt wurden, ist das Starkregenereignis nur über die Summe der zwei Tage 11. und 12. Mai 1999 mit früheren Ereignissen vergleichbar. Der Vergleich zeigt erstens, dass in der Nordostschweiz die extremsten Starkregenereignisse des Jahrhunderts mehrheitlich im Monat Mai auftraten. Zweitens sind die nun gemessenen 48-Stunden-Summen punktuell die bisher höchsten für den Mai in diesem Jahrhundert. Insgesamt noch gewaltiger waren die Regenfälle vom 19./20. Mai 1906 (in Horgen 357 l/m2). Günstig war damals, dass bis 1200 Meter hinunter Schnee fiel. Diesmal regnete es bis 2700 Meter hinauf. Das extremste bekannte Ereignis seit Messbeginn in der Nordostschweiz ereignete sich jedoch vom 10. bis 12. Juni 1876 (R. Billwiller, ``Die Niederschläge im Juni 1876 in der Schweiz'').
Phase 2: Rekordpegelstände an Seen nach weiteren namhaften Niederschlägen
Die Luftmassengrenze lag am 13. und 14. Mai 1999 dann am Alpennordhang und verursachte vor allem hier weitere namhafte Regenfälle. Diese liessen nun auch die Seepegel über kritische Hochwassermarken ansteigen. Der Pegel des Thunersees erreichte Rekordstand. Auf 4 km Länge drang das Wasser bis 400 m landeinwärts vor und setzte die Häuser unter Wasser. Stark betroffen war auch das Aaretal. Das Gelände des Flughafens Belpmoos stand unter Wasser. Auch in Bern erreichte die Aare Rekordstand und überflutete rund 500 Häuser im Mattequartier. Beinahe die Hälfte der Alpennordseite erhielt vom 11. bis 14. Mai 1999 mehr als 100 l/m2 Regen. Stark betroffen waren das Simmen- und das Kandertal. Bei den vergleichbaren Frühlingsregen vom 6. bis 9. Mai 1985 und 20. bis 23. Juni 1973 schneite es hingegen oberhalb etwa 1500 Meter. Hauptursache für die Hochwasser waren die extremen Niederschläge. Ungünstig wirkte sich aus, dass die Böden nach dem regenreichen April und durch schmelzenden Schnee durchnässt waren. Die direkte Schneeschmelze spielte gemäss Landeshydrologie eine untergeordnete Rolle. Aus Gebieten mit geringeren Regenfällen (oberes Rheintal, Rhonetal, Haslital) wurden vorerst auch keine kritischen Situationen bekannt.
Phase 3: Neue Starkregen am Alpennordhang, in Vorarlberg und in Bayern vom 20. bis 22. Mai 1999
Ein neues Tief mit sehr feuchter Luft beeinflusste vom 20. bis 22. Mai 1999 den zentralen und östlichen Alpenraum. Nördliche Höhenwinde drückten diese Luftmassen gegen die Alpen. Dies hatte erneut extreme Stauregen zur Folge. In der Schweiz fiel vom Glarnerland bis ins Alpsteingebiet lokal über 100 l/m2 Regen. Dadurch entstand erneut gefährliches Hochwasser am Linthkanal und im Toggenburg. Extreme Regenfälle in Vorarlberg liessen auch den Oberrhein hoch anschwellen. Am 24. Mai 1999 erreichte deshalb der Bodensee den höchsten Stand seit 1890 und setzte Teile der umliegenden Gemeinden tief unter Wasser. Andernorts bedrohten Erdrutsche Ortschaften (Sörenberg, Weesen) oder zerstörten Bahnlinien (Prättigau, Brünig). In Bristen/UR wurde ein Chalet in die Tiefe gerissen. Ein Tourist fand dabei den Tod. Auch in Südbayern kam es nach Dammbrüchen zu grossen Überschwemmungen und vier Todesopfern.
August 2005
In der Periode vom 19. bis 23. August 2005 wurde die Schweiz und das angrenzende Ausland von äusserst starken Niederschlägen betroffen, die an vielen Stationen die bestehenden Niederschlags-Rekorde brachen. Verantwortlich für die starken Niederschläge über das Wochenende ist die als Vb-Lage bekannte Entwicklung. Dabei dehnt sich eine Tiefdruckgebiet aus dem Raum Frankreich zum Golf von Genua aus und zieht von dort weiter über die östlichen Alpen nach Norden. Dabei werden feuchtwarme Luftmassen aus dem Mittelmeerraum über die Alpen verfrachtet und mit nordöstlichen Winden zum Alpennordhang zurückgeführt und dort gestaut.
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Das Bild der Höhenströmung verdeutlicht, wie das Tief, das im Gegenuhrzeigersinn umflossen wird, über der warmen Adria aus Süden sehr feuchte Luftmassen über die Österreichischen Alpen und anschliessend von Nordosten her wieder zurück an den Alpennordhang führt. Einmalig ist, dass fast am gesamten Alpennordhang flächig innerhalb von 48 Stunden mehr als 100 Liter Regen pro m2 gefallen sind. So sind zum Beispiel an einigen ausgewählten Stationen Rekordmengen gemessen worden. Die statistische Wiederkehrdauer für diese Stationen beträgt weit mehr als 300 Jahre, nur in Einsiedeln muss etwa alle hundert Jahre mit einem ähnlichen Ereignis gerechnet werden. Da das Ereignis im Grunde bereits am Freitag mit kräftigen Niederschlägen begonnen hat, sind auch die 4-tägigen Niederschlagsmengen ähnlich rekordverdächtig. Zu diesen enormen Niederschlagsmengen kam die unheilvolle Vorgeschichte. Einerseits lag die Schneefallgrenze meist über 3000 Meter, weshalb die Wassermengen kaum in Form von Schnee gebunden wurden. In den betroffenen Regionen war zudem der August bereits vor dem Unwetterereignis nass. Es fielen hier vorgängig Niederschlagssummen in der Grössenordnung der üblichen Augustmengen. Die dadurch wassergesättigten Böden vermochten die Regenfluten des Unwetters kaum mehr abzufangen; das Wasser floss rasch ab und liess Bäche und Flüsse innert kurzer Frist auf die bekannten Rekordmarken anschwellen. Dieser Umstand war möglicherweise auch die Ursache für die Überschwemmungen und Rutschungen in den anderen vom Unwetter betroffenen Gebieten, welche zwar grosse Niederschlagsmengen verzeichneten, aber unter den bekannten Rekordmarken blieben.
Witterungsverlauf
Bereits an den Tagen vor dem Ereignis regnete es besonders in der Zentral- und Ostschweiz schon recht häufig. An mehreren Stationen wurden vom 14.– bis 18. August 2005 über 40 mm Regen gemessen. Am Freitag, 19. August 2005, konnte ein Tief mit Kern über den Niederlanden identifiziert werden. Es wurde durch einen Höhentrog überlagert, dessen Achse etwa auf dem Nullmeridian lag. Im Bereich einer südwestlichen Höhenströmung kam es zu verbreiteten Niederschlägen mit oft konvektivem Charakter. Probleme traten aber nur sehr lokal auf. Am Samstag, 20. August 2005 war das Tief im Raum der Benelux-Länder noch knapp zu erkennen, der Schwerpunkt der zyklonalen Aktivität hatte sich aber nach Norditalien verlagert. Dort entwickelte sich ein sekundäres Bodentief. Im Höhenfeld konnte ein Abschnürprozess ausgemacht werden, wobei der Kern des Höhentiefs wenig südlich von Paris lag. In der Schweiz kamen nordöstliche Winde auf, nur in grosser Höhe herrschte noch Südwind. Am Sonntag, 21. August 2005 vertiefte sich das Tief weiter, sein Kern lag über dem Golf von Genua, und in der Höhe entstand eine stark zyklonale Situation. Dabei waren nun Boden- und Höhentief nahezu konzentrisch – aus der Sicht der konventionellen Synoptik ein Hinweis darauf, dass keine schnelle Weiterentwicklung zu erwarten war. In der Nacht zum 22. August 2005 erreichte das Höhentief seine maximale Ausprägung. Gleichzeitig bewegte sich das ganze System ostwärts, so dass es am 22. August 2005 immer noch konzentrisch über der nördlichen Adria lag. Damit drehten die Höhenwinde auf der Alpennordseite auf Nord, so dass zunehmend Stau eintrat. Am 23. August 2005 kam die Tiefdruckzone über Ungarn zu liegen. Die feuchtesten Luftmassen lagen nun nicht mehr über der Schweiz, wo lediglich noch das Prättigau nennenswerte Niederschläge erhielt. Die nordalpinen Teile Bayerns und Österreichs waren aber vom Starkregen immer noch betroffen. In vielen Kommentaren wurde dieser Wetterlagenverlauf im Sinne der veralteten Systematik von J. van Bebber (zitiert nach Liljequist und Cehak, 1974) als Vb-Lage bezeichnet. In diesem Sinne ist zu bemerken, dass das hier beschriebene Tief von Norditalien her nur unwesentlich nordwärts, sondern ostnordöstlich abzog. Es erfasste Polen nur am Rande und zog zur Ukraine, wo es sich auffüllte. Diese Zugbahn liegt zwischen Vb und Vd und ist von van Bebber nicht beschrieben worden.
Niederschlagsverlauf
Am 19. und 20. August 2005 erfolgten teilweise konvektiv geprägte Niederschläge. Sie behelligten besonders das nördliche Alpenvorland und führten bereits zu ersten lokalen Schäden. Eine flächige Regenzone zog allerdings im Laufe des 20. August 2005 über Graubünden nordostwärts und brachte bis zu 36 mm Niederschlag (Station Weissfluhjoch). Sie verursachte ausserdem eine merkliche Niederschlagsabkühlung, sodass es in der Region Davos vorübergehend bis etwa 2000 Meter schneite. Es scheint, dass der schmelzende Schnee für die nachfolgenden Ereignisse in dieser Region nicht unbeachtet bleiben darf. Es ist aber für das ganze Schadenereignis als einziges wesentliches Phänomen dieser Art identifiziert worden. Der Verlauf der stärksten Niederschläge in den erschiedenen Regionen zeigt eine recht klare Struktur. Bis zum 20. August 2005 wurden keine besonders starken und flächigen Summen registriert. Das Regime war noch weitgehend konvektiv orientiert, die grossräumige Hebung spielte keine entscheidende Rolle. Auch konnten keine Staueffekte beobachtet werden. Am 21. August 2005 war vor allem die Region Berner Oberland – Zentralschweiz betroffen, und zwar vor allem in der zweiten Tageshälfte. Dies hängt ziemlich sicher mit der Position des Tiefs und der Ausrichtung der Höhenströmung – verbunden mit der Anströmung sehr feuchter Luft – zusammen. Am 22. August 2005 lag der Schwerpunkt des Regens weiter östlich. Auch die Ostschweiz war nun beeinträchtigt. Gleichzeitig wurde der Streifen der Starkniederschläge schmaler und betraf in der westlichen Landeshälfte noch das Hauptanstiegsgebiet der Nordalpen. In dieser Phase wurden die Niederschläge weiter östlich auch über den ersten Alpenkamm bis ins Unterengadin transportiert. In allen Höhenlagen herrschten nun nördliche Winde, das Tief lag ja recht genau östlich der Schweiz. Am 23. August 2005 war nur noch der äusserste Osten des Landes erfasst, am meisten die Region Prättigau. Die Höhenwinde zeigten nun Westkomponente, sodass weniger feuchte Luft von ausserhalb des Tiefs nachfliessen konnte. Das Hauptereignis betraf damit die Zeit vom 21. Augus mittags bis 23. August 2005 morgen Insgesamt dauerte die Phase relevanter Niederschläge volle vier Tage.
Warmlufteffekte und Stabilität
Normalerweise fallen bei einem grösseren Ereignis dieser Art zuerst Niederschläge in der Warmluft, allenfalls in Verbindung mit Gewittern. Dann erfolgt Kaltadvektion, sodass die Schneefallgrenze typischerweise um etwa 1‘000 Meter sinkt. Das war diesmal nicht so. Das Geopotential auf 500 hPa zeigt einen eher geringen Abfall. Die Schweiz gelangte also nie ins Zentrum des Höhentiefs. Auf 850 hPa erfolgte der wesentliche Abbau am 21. August 2005, was zeigt, dass die Zyklogenese über Norditalien stark auf die Alpennordseite übergriff. Die Schichtdicke wurde am 20. August 2005 etwas abgebaut, was auf Abkühlung hinweist. Durch Warmadvektion erfolgte am 21. August 2005 bereits wieder eine Zunahme. 420 – 425 dam entsprechen einem normalen sommerlichen Standard. Die feuchtpotentielle Temperatur gibt einen weiteren Hinweis auf die Advektion: besonders massiv ist die Warmadvektion auf 500 hPa vom 20. auf den 21. August 2005. Die Stabilität ist zu Beginn negativ (DeltaT <0), was auf ein beträchtliches Gewitterpotential schliessen lässt. Am 21. August 2005 sind Gewitter nicht möglich, am 22. August 2005 wenigstens denkbar. Die Schneefallgrenze zeigt am 20. August 2005 ein deutliches Absinken in Graubünden, von 21.12 UTC bis 22.12 UTC fällt ihr Anstieg mit der bereits erwähnten Advektion warmer Luft zusammen.
In Bezug auf den Niederschlagscharakter kann das Ereignis damit vorerst in drei Abschnitte aufgeteilt werden:
- am 19. und 20. August 2005 teils gewittrige Niederschläge;
- am 21. August 2005 flächiger Regen infolge Warmadvektion;
- am 22. August 2005 Strömungsniederschlag infolge Nordstau in sommerlicher Warmluft, eventuell gewittrig durchsetzt.
Bezüglich Konvektivität können diese Aussagen mit Hilfe der Blitzregistrierungen überprüft werden. Am 19. August 2005 erfolgt ein mässiges Auftreten von Einschlägen im Norden, am 20. August 2005 ein starkes Auftreten im Süden. Vom 21 bis –23. August 2005 wurden keine Blitze mehr registriert, ausgenommen wenig Fernblitze am 21. August 2005 im Süden. Die Wolkenformen auf den Satellitenbildern zeigen diesen Verlauf ebenfalls. Ausserdem lässt sich am 22. August 2005 in der zweiten Tageshälfte konvektive Tätigkeit knapp nordöstlich der Schweiz feststellen. Es scheint jedoch, dass diese Zellen a) im weiteren Verlauf mit nördlichen Winden östlich der Schweiz durchgezogen sind und b) wahrscheinlich im Alpenvorland mit schichtartigen Wolken durchsetzt waren und somit unterdrückt wurden. Zusammenfassend lassen sich die zunächst gemachten Aussagen für die Region Nordschweiz wie folgt bereinigen:
-
am 19. August 2005 teils gewittrige Niederschläge;
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am 20. August 2005 praktisch keine Gewitter mehr;
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am 21. August 2005 flächiger Regen infolge Warmadvektion;
-
am 22. August 2005 Strömungsniederschlag in sommerlicher Warmluft.
Zykonale Prozesse und Mittelmeerluft
Wie oben beschrieben, koppelte sich am 20. August 2005 ein markantes Höhentief von einem grösseren Trog ab. Dieses Tief verstärkte sich über Norditalien bis zum 21. August 2005 und erzeugte dabei eine kräftige Zyklonalität, die weit über die Schweiz nach Norden reichte. Dadurch wurden die subtropischen Warmluftmassen mit feuchtpotentiellen Temperaturen von 15 bis 18°C – die in der Startphase recht homogen über Mitteleuropa und dem nördlichen Mittelmeerraum lagen – zu Hebung gezwungen und somit angefeuchtet. Trotz vorübergehender Warmadvektion war die Höhenströmung stets zyklonal gekrümmt, was die Hebungsprozesse unterstützt. Die nicht stark ausgeprägte Kaltadvektion von Frankreich her sorgte ausserdem zur Ausbildung einer Okklusion, die am 21. August 2005 mit östlichen Winden zur Schweiz gelangte. Am 22. August2005 entstand zudem noch orografische Hebung am Alpennordhang. Oft wird darauf hingewiesen, dass sich die atlantischen Luftmassen über dem warmen Mittelmeer mit Feuchtigkeit vollgesogen hätten, was die starken Niederschläge bewirkt habe. Dass dieser Prozesse allein für die aussergewöhnlichen Niederschläge verantwortlich gemacht werden kann, ist eher unwahrscheinlich. So haben z.B. Jung et al (2005) gezeigt, dass die ausserordentliche Erwärmung des Mittelmeers im Sommer 2003 nur zu eher kleinen Änderungen im Niederschlagsregime in Europa geführt hat. Andererseits ist es natürlich klar, dass die Tatsache, dass die Luft das Mittelmeer überströmt, für den Niederschlag im Alpenraum wesentlich ist. In einem numerischen Experiment hat Niedermann (2001) gezeigt, dass sich ohne Mittelmeer (also, wenn die entsprechende Fläche mit «Vegetation» bedeckt wäre), das Niederschlagsregime im Alpenraum wesentlich ändern würde. Die Diskussion in Kapitel 6 zeigt, dass auch die Präsenz der Alpen für das hier betrachtete Niederschlagsereignis von grosser Bedeutung war. Zusammenfassend ist es also mit Sicherheit nicht das Anfeuchten der Luft über dem Mittelmeer allein, das zum starken Niederschlag geführt hat. Vielmehr braucht es für ein Ereignis dieser Grössenordnung beides, die Wasseraufnahme der Luft auf der einen Seite wie auch einen Auslöseprozess (Hebung über den Alpen) auf der anderen Seite.
Niederschlag Ruswil
Auffallend sind die über 200 mm (4-tägiges Niederschlagsereignis), die in der Zeit vom 18. bis 22. August 2005 gefallen sind. Allein am 21. August 2005 fielen 78 mm, was lange Zeit Tagesrekord bedeutete.
Dieser Rekord wurde erst 2 Jahre später mit den Starkniederschlägen vom 8. August 2007 (79,2 mm) abgelöst.
August 2007
Über das Wochenende vom 4./5. August 2007 war die Wetterlage durch ein kräftiges Hochdruckgebiet über Mitteleuropa geprägt. Am 4. August 2007 lag dessen Zentrum in Mitteleuropa, am 5. August 2007 weiter nördlich über Polen. Auf der Höhenwetterkarte zeigte sich ein Hochdruckrücken vom Mittelmeer bis nach Skandinavien. Durch einen Kaltluftausbruch in Richtung Britische Inseln und Biskaya begann sich westlich davon ein Trog auszubilden. In der Folge drehten die Winde im zentralen Alpenraum auf Südwest. Von Südfrankreich her wurde sehr warme und vorerst noch trockene Luft in unsere Breiten geführt
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Zu Wochenbeginn wurde die Druckverteilung über Mitteleuropa flach und damit die Schichtung der Luftmasse zunehmend instabiler. Der Trog kam am 6. August weiter nach Süden und Osten voran und wies einen abgeschlossenen Kern über den Britischen Inseln auf. In der Folge lagen die Alpen im so genannten "Sattelpunkt" mit grosser Hebung und starker Gewitteraktivität. Vor allem in den zentralen und westlichen Teilen der Schweiz entstanden gewittrige Schauer, welche zu lokalen Überschwemmungen und Erdrutschen führten und vielerorts die ohnehin schon feuchten Böden weiter ansättigten. Die Temperaturen erreichten in den Niederungen verbreitet 28°C bis 30°C, und selbst in Höhenlagen von über 1500 Meter wurde die 20°C-Marke übertroffen. Entsprechend hoch lag bei Niederschlagseinsatz die Schneefallgrenze, im Mittel bei etwa 3500 Metern.
Die Niederschläge, welche das Hochwasser am 8. und 9. August 2007 verursachten, erstreckten sich über insgesamt vier Tage, von Montag, 6. August 2007 bis Donnerstag, 9. August 2007.
Zu Beginn des Niederschlagsereignisses waren vor allem konvektive Niederschläge im Zusammenhang mit einer Kaltfront prägend. Im weiteren Verlauf wurden durch die Bildung eines Höhentiefs westlich des Alpenraums warm-feuchte Luftmassen mit einem hohes Feuchte- & Niederschlags-potenzial aus Südwesten herangeführt. Das Aufgleiten dieser Luftmassen auf die kühlere Luft führte zu ergiebigen, gross-flächigen Niederschlägen. Auf der ganzen Alpennordseite fielen während des gesamten Niederschlagsereignisses zwischen dem 6. August 2007 und dem 9. August 2007 verbreitet mehr als 100 mm bis 120 mm Regen. Lokal wurden auch mehr als 160 mm Niederschlag gemessen.
Am Dienstag früh (7. August 2007) erfasste die wetteraktive Kaltfront die Schweiz und kam bis zum Abend knapp östlich des Bodensees über Süddeutschland zum Stillstand. Die Tagestemperaturen gingen im Mittelland auf 18°C bis 22°C zurück. In 1500 Meter Höhe betrug der Temperaturrückgang 3°C bis 5°C. Die Schneefallgrenze sank im Laufe des Tages unter die 3000 Meter-Marke.
Schliesslich kam es am Mittwoch (8. August 2007) zum eigentlichen Hauptereignis, als sich ein abgeschlossenes Höhentief westlich des Alpenraums bildete. Dieses Höhentief führte während der Phase der intensivsten Niederschläge in der Höhe erneut sehr feuchte Luftmassen aus südwestlicher, später südöstlicher Richtung in unsere Breiten. Diese Luft glitt auf die potenziell kühlere Luft auf, welche mit nordwestlichen Winden in Bodennähe auf der Alpennordseite einfloss. Die Tagesmitteltemperaturen gingen im Mittel auf rund 15°C zurück, in Höhenlagen von 1500 Meter wurden noch knapp 10°C gemessen. Die Schneefallgrenze sank generell unter 2500 Meter. Es folgten dabei zwei intensive Niederschlagsphasen innerhalb von wenig mehr als 12 Stunden.
Am 9. August 2007 liessen die dynamischen Aufgleitprozesse über der Schweiz mit der Verschiebung des Höhentiefs über Italien nach Osten nach. Die Winddrehung auf Nord in den unteren Luftschichten bewirkte, dass die herangeführte Luft an den Alpen gestaut wurde. Allerdings war die Kaltluft deutlich weniger feucht und die Niederschlagsmengen geringer. Die aktiveren Niederschlagszonen über Süddeutschland wurden mit der Ostströmung in der Höhe im Norden des Juras nach Frankreich geführt. Unterstützt durch den Effekt der Niederschlagsabkühlung sank die Schneefallgrenze vorübergehend bis auf 2000 Meter ab, die Tagestemperaturen verharrten im Mittelland unter 15°C und in Höhenlagen von 1500 Metern wurden 4°C bis 8°C verzeichnet.
Niederschlagsverlauf
In den 4 Tagen vom 6. August 2007 bis 9. August 2007 sind in der Schweiz zusammengefasst während drei Phasen intensive Niederschläge gefallen.
In einer ersten Phase entwickelte sich am Nachmittag des 6. August 2007 im Jura ein kompakter Gewitter-Komplex, der anschliessend über das Napfgebiet in die Innerschweiz und die Glarner Alpen zog. In der Nacht auf den 7. August 2007 zogen weitere Gewitter schnell über die westlichen Landesteile. Diese erreichten vor allem im Jura und im westlichen Mittelland höhere Intensitäten. Insgesamt sind in dieser Phase in Teilen der Westschweiz sowie in der Innerschweiz 10 mm bis 35 mm Regen gefallen
Im Laufe des 7. August 2007 fiel auf der Alpennordseite und teilweise in den Alpen weiterhin Regen, dieser erreichte aber kaum bemerkenswerte Intensitäten. Erst am Abend (Beginn zirka 20.30 Uhr) wurde die Schweiz von einem grossflächigen Niederschlagssystem erfasst, welches vor allem in den zentralen und östlichen Voralpen anhaltend intensiven Regen brachte (Ende ca. 06.30 Uhr am 8. August 2007). Während dieser zweiten Phase sind vom Entlebuch/ Vierwaldstättersee bis zum Zürichsee verbreitet mehr als 60 mm Regen gefallen. Lokal wurden sogar Werte von mehr als 80 mm gemessen (Stationen Zugerberg, Gersau und Küsnacht am Rigi).
Das eigentliche Hauptereignis setzte am frühen Nachmittag des 8. August 2007 ein. Von Süden her, über das Wallis und die Berner Alpen, breiteten sich schnell grossflächige intensive Niederschläge aus. Diese erreichten zuerst das zentrale und westliche Mittelland, später auch die Ostschweiz. Während mehrer Stunden fiel über der ganzen Alpennordseite, sowie in den Berner und Walliser Alpen grossflächiger Dauerregen mit Intensitäten von 10 mm pro Stunde und mehr. Am späten Abend liess der Regen vorübergehend an Intensität nach, bis am Morgen des 9. August 2007 schliesslich eine letzte Welle intensiver Regenfälle von Ost nach West über die Alpennordseite zog. Bis zum Mittag nahm der Regen auch in der Westschweiz ein Ende.
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