Schnee
Februar 1999
Vom 27. Januar bis 25. Februar 1999 führten drei langanhaltende Nordweststaulagen mit stürmischen Nordwestwinden auf der gesamten Alpennordseite zu lang andauernden Schneefällen. Zwischen den Niederschlagsperioden floss kontinentale Kaltluft ein und es herrschten auch in den Niederungen hochwinterliche Verhältnisse. Die drei Starkschneefallperioden dauerten vom 27. bis 31. Januar 1999 (im Folgenden 1. Periode genannt), vom 5. bis 12. Februar 1999 (2. Periode) und vom 17. bis 25. Februar 1999 (3. Periode). Mitte April 1999 führten weitere Schneefälle erneut zu einer erhöhten Lawinenaktivität. Die aus einer Südstaulage resultierenden Niederschläge verursachten, zusammen mit der Schneeschmelze nach Niederschlagsende, grossräumige Überschwemmungen. Aussergewöhnlich an dieser Situation waren die lange Dauer der Niederschläge, die teilweise zu Rekordschneehöhen führte sowie die grosse räumliche Ausdehnung der Lawinenaktivität. Nach einer trockenen und milden Phase führten starke Nordwestwinde vom 26. bis 29. Januar 1999 zu intensiven Stauniederschlägen in den Alpen. Durch ein Randtief, das sich über Italien bildete, griffen die Niederschläge zeitweise auch auf die Alpensüdseite über. Die Neuschneemengen lagen zwischen 50 cm im Tessin sowie im südlichen Wallis und mehr als 100 cm am Alpennordhang. Ende Januar 1999 erreichte die Schneehöhe auf 2500 Metern verbreitet zwischen 200 und 250 cm. Der Februar 1999 war von den beiden Grossschneefallereignissen vom 5. bis 12. Februar 1999 und vom 17. bis 25. Februar 1999 geprägt. Diese brachten teilweise Rekordschneefälle und Rekordschneehöhen für den Monat Februar. Die Stauniederschläge waren von starken Nordwestwinden begleitet, was zu umfangreichen Schneeverfrachtungen führte. Die Schneefälle griffen zeitweise in abgeschwächter Form auch auf den Alpensüdhang über. Durch den Wechsel zwischen kalten und warmen Luftmassen waren die Temperaturen nur leicht unterdurchschnittlich. Die Neuschneesummen über 30 Tage erreichten am Alpennordhang verbreitet zwischen 500 und 600 cm, maximal bis über 800 cm. Inneralpin wurden während dieses Zeitraums zwischen 200 und 500 cm Neuschnee registriert. Auf 2500 Metern erreichten die Schneehöhen am Ende des Monats bis zu 500 cm.
Wie kam es zu diesem "Jahrhundertwinter''? Voraussetzung für massive Schneefälle am Alpennordhang ist das Vorhandensein einer Staulage. Die hierfür notwendige Wetterlage ist die folgende:
Ein Tief mit kalter Luft liegt über dem Nordmeer und Skandinavien einerseits, und ein Hochdruckgebiet mit milder Luft über dem Atlantik andererseits. Kaltluft aus Norden und milde Luftmassen aus Westen begegnen sich zwischen den beiden Druckzentren und werden in einer stürmischen Nordwestströmung gegen Mitteleuropa und die Alpen geführt. Entlang der Grenzzone zwischen den Luftmassen entwickeln sich kräftige Niederschlagsgebiete. Zusätzlich werden die Luftmassen an den Alpen zum Aufsteigen gezwungen. Dies führt zu Stau am Alpennordhang und damit zu einer Intensivierung der Schneefälle.
Das spezielle an der Wettersituation ab dem 26. Januar 1999 war aber, dass Tief- und Hochdruckgebiet ihre Lage jeweils während mehreren Tagen kaum änderten, also stationär verharrten. Intensive Schneefallperioden hielten deshalb über mehrere Tage an. Schwächten sich Hoch- und Tiefdruckgebiet endlich ab und wanderten diese Druckgebiete endlich weg, so wurden sie nach kurzer Zeit durch neue Hoch- und Tiefdruckgebiete an alter Stelle ersetzt, womit die nächste, mehrtägige Staulage entstand.
Auf diese Weise können seit dem 26. Januar drei Starkschneefallperioden (vom 26. bis 29. Januar 1999, vom 5. bis 10. Februar 1999 und vom 17. bis 24. Februar 1999) innerhalb von insgesamt 30 Tagen festgestellt werden.
Synoptische Grundlagen
Die Druckverteilung über dem Atlantik und Mitteleuropa führte zur Etablierung einer stabilen Nordweststaulage, die sich im Abstand von rund einer Woche drei mal hintereinander aufbaute. Sie war geprägt von einem Tief über Skandinavien und einem Hoch über dem nahen Atlantik. In der zwischen beiden Druckgebilden entstehenden starken nordwestlichen Strömung konvergierten die feuchtmilden Luftmassen, die durch das Hoch vom mittleren Atlantik herangeführt wurden, mit den feuchtkalten Luftmassen, die durch das Tief aus polaren Regionen heranströmten. In der so entstandenen, über Mitteleuropa senkrecht gegen die Alpen verlaufenden Frontalzone, bildeten sich immer wieder Randtiefs mit umfangreichen Niederschlagsgebieten, die durch den Staueffekt verstärkt zu ergiebigen Schneefällen in den Alpen führten. Ein solches Strömungsmuster tritt in der nordatlantischen Zirkulation in unregelmässigen Abständen immer wieder auf. Es sorgt dafür, dass die Kaltluft aus polaren Breiten weit nach Süden transportiert wird und so ein Ausgleich der starken Temperaturkontraste zu den warmen subtropischen Gebieten geschaffen wird. Je nachdem, wie schnell sich die Strömungsmuster über Mitteleuropa nach Osten verlagern, haben solche nordwestlichen Anströmungen eine Lebensdauer von 1 bis 5 Tagen. Das besondere an der Situation während der Lawinenperiode 1999 war, dass sich diese Gleichgewichtssituation im Strömungsfeld im Abstand von je rund einer Woche drei Mal in fast identischer Form wiederholte.
1. Periode (27. bis 31. Januar 1999)
Am 26. Januar 1999 erreichte eine erste schwache Kaltfront die Alpen. Mit ihr sanken die Temperaturen um rund 10°C ab. In der Folge stellte sich für drei Tage eine Nordwestlage ein. Mit der ausgeprägten nordwestlichen Höhenströmung an der Flanke eines kräftig entwickelten Azorenhochs zog ein Randwirbel über die Alpen und verursachte auf der Alpennordseite ergiebige Schneefälle. Diese griffen auch zeitweise in abgeschwächter Form auf den Alpensüdhang über. Am Alpennordhang fielen verbreitet rund 100 cm Neuschnee. Die grössten Neuschneemengen wurden im östlichen Berner Oberland, sowie in den Glarner und den St. Galler Alpen mit bis zu 150 cm registriert. Inneralpin fielen 50 bis 100 cm Neuschnee. Nur in den südlichen Vispertälern, im Simplongebiet, im Tessin, im Oberengadin und in den Bünder Südtälern waren es weniger als 50 cm Schnee. Am 28. Januar 1999 fiel am Grimsel Hospiz die höchste gemessene Niederschlags-Tagessumme der Lawinenperiode 1999 mit 147,2 mm (gemessen in einem beheizten Niederschlagsmesser des ANETZes der SMA.) Das ist der zweithöchste Tageswert am Grimsel Hospiz seit Messbeginn 1959. Etwa gleichzeitig wurden am Grimsel Hospiz 89 cm Neuschnee mit 92 mm Wasserwert gemessen. Das entspricht einem 10-jährigen Ereignis. Die Messorte liegen etwa 100 m auseinander. Die stürmischen Winde wehten zunächst aus Nordwest und drehten zum Ende der Periode auf Nord bis Nordost. Die grössten Böenspitzen wurden am Titlis mit 140 km/h gemessen; über 100 km/h wurden auch an zahlreichen anderen Gebirgswindmessern erreicht. Etwas im Windschatten lag das Unterengadin. Bis zum Ende dieser Niederschlagsperiode traten aufgrund der stürmischen Winde und der tiefen Temperaturen verbreitet umfangreiche Schneeumlagerungen auf. Ab dem 29. Januar 1999 dehnte sich das Hoch vom Atlantik nach Nordosteuropa aus und über den Alpen entstand eine kräftige Bisenströmung mit der trockene und sehr kalte Luftmassen in den Alpenraum transportiert wurden. Die Temperaturen sanken nochmals um rund 10°C ab, so dass auf 2500 m rund -22°C gemessen wurden. Auf dem Jungfraujoch wurden am 31. Januar 1999 in der hochreichenden polaren Kaltluft -31°C registriert, in Samedan waren es am 1. Februar 1999, bedingt durch die nächtliche Abkühlung der trockenen Kaltluft, sogar -35°C. In der Folge liess die starke Bisenströmung wegen abnehmender Druckgradienten über dem Alpenraum langsam nach und die Temperaturen stiegen allmählich um rund 10°C an. Sie erreichten am 3. Februar 1999 auf 2500 m rund -15°C.
2. Periode (5. bis 12. Februar 1999)
Ab dem 4. Februar 1999 dehnte sich ein mächtiges Tiefdruckgebiet von Skandinavien her gegen Mitteleuropa aus. Unter Zufuhr von feuchtkalter Meeresluft baute sich eine Nordweststaulage mit häufigen, nach dem 5. 2. intensiven Niederschlägen auf. In den ersten vier Tagen dieser Periode überquerten, vom Zentraltief gesteuert, mehrere Störungen die Schweizer Alpen. Entlang des Alpennordhangs fielen in diesem Zeitraum 70 bis 120 cm, im Wallis und in Nord- und Mittelbünden 40 bis 90 cm, in den anderen Gebieten meist bis zu 50 cm Neuschnee. Die starken Nordwestwinde führten vor allem entlang des Alpennordhangs und in Graubünden zu umfangreichen Triebschneeansammlungen und im Unterwallis nochmals 20 bis 50 cm Neuschnee. In den anderen Gebieten wurden jeweils 10 bis 30 cm Neuschnee gemessen. Nur südlich des Alpenhauptkamms blieb es überwiegend niederschlagsfrei. In der Nacht auf den 9. Februar 1999 und den ganzen Tag über schneite es in Ruswil sehr stark. Am Abend wurden rund 40 Zentimeter Neuschnee gemessen. Ein absoluter Rekord für Ruswil! Am 10. Februar 1999 hatte das Tief die Westalpen überquert. Auf seiner Rückseite floss mit auf Nordwest bis Nord drehenden Winden wieder deutlich kältere aber trockene Luft zu den Alpen. In ihr kam es besonders am östlichen Alpennordhang noch zu schwachen Stauniederschlägen. Dabei gingen die Temperaturen auf 2500 Metern wieder bis unter -20 °C zurück. Während dieser 2. Periode fielen am Alpennordhang, im Unterwallis, im nördlichen Wallis, in der nördlichen Surselva sowie im Prättigau und im Schanfigg mehr als 100 cm Neuschnee. In den höheren Lagen des Alpennordhanges waren es verbreitet mehr als 200 cm. Mit einer Achttagesneuschneesumme von 257 cm wurde auf der SLF-Vergleichsstation im Skigebiet oberhalb Elm, GL (1690 m) am meisten Neuschnee gemessen. Damit betrugen die Schneehöhen nach der 2. Periode am Alpennordhang auf 1500 m verbreitet 150 bis 200 cm, teilweise sogar bis gegen 300 cm. Vom 12. bis zum 15. Februar 1999 sorgte eine sich langsam abschwächende Bisenströmung für die Zufuhr kontinentaler Kaltluft. Dabei war der Nordostwind am 12. Februar 1999 noch stark und führte zu Schneeumlagerungen. Während in den Tallagen die Kaltluftseen erhalten blieben, setzte sich ab dem 13. Februar 1999 in den Hochlagen deutlich mildere Luft durch. Die Temperaturen stiegen bis zum 16. Februar 1999 um rund 15°C an. Dabei war es am 14. Februar 1999 meist bedeckt, am 15. Februar 1999 dagegen sonnig. Durch die Strahlungsbedingungen kam es in der klaren Nacht zum 15. Februar 1999 zu einer kurzfristigen Abkühlung und zu einem verstärkten Anstieg der Temperatur am 15. Februar 1999 tagsüber.
3. Periode (17. bis 25. Februar 1999)
Am Nachmittag des 16. Februar 1999 setzte mit einem Tief über Nordeuropa in weiten Teilen der Schweizer Alpen erneut Schneefall ein. Bis zum 25. Februar 1999, also über 9 Tage hinweg, blieb die Nordweststaulage erhalten. Zunächst kam es bei starken bis stürmischen Nordwestwinden und rund -10°C auf 2500 Metern zu nur mässigen Schneefällen. Am 17. Februar 1999 betrugen die Böenspitzen im Wallis, am zentralen und östlichen Alpennordhang sowie in Graubünden auf den Gipfelstationen erneut über 120 km/h. Nur am westlichen Alpennordhang waren die Winde deutlich schwächer. Am 18. Februar 1999 00 UTC lag die Schweiz in einer durch das Tief über Nordeuropa verursachten, starken und mässig feuchten Nordwestströmung. Die Winde erreichten 70 bis 80 km/h. Die Lufttemperatur auf 3000 m lag im Westen bei -15°C, im Osten bei -20°C. Am Mittag des 18. Februar 1999 hatte die Warmfront eines kleinen, von den Britischen Inseln in die Zentralalpen ziehenden Teiltiefs die Schweiz erreicht. Die Temperaturen waren um 6°C angestiegen und der starke Ost-West-Gradient blieb erhalten. Am 19. Februar 1999 00 UTC hatten sich die Temperaturen zwischen Westen und Osten wieder angeglichen – sie stiegen also auch im Osten auf etwa -10°C an. Der Wind wehte mit 40 bis 50 km/h aus Nordwest. Das im Laufe des 18. Februar 1999 die Schweizer Alpen überquerende Randtief brachte intensive Schneefälle. Innerhalb von 24 Stunden fielen am Alpennordhang, im westlichen Wallis sowie in Nord- und Mittelbünden verbreitet 30 bis 60 cm Neuschnee. Am 19. Februar 1999 mittags wurde mit der Warmfront eines Tiefs bei Island aus Westen noch etwas mildere, aber weiterhin feuchte Meeresluft in den Alpenraum transportiert. Die Temperaturen lagen zwischen –6°C im Westen und –8°C im Osten. Bis zum 20. Februar 1999 00 UTC stiegen die Temperaturen bei auf West drehenden Winden noch etwas an und erreichten bis –5°C. Dieses Temperaturniveau wurde auf 3000 Metern auch am 20. Februar 1999 bis mittags gehalten, womit der Höhepunkt der Wärmewelle erreicht wurde. Die Schneefallgrenze stieg im Westen vorübergehend auf über 2000 Meter, im Osten bis gegen 1600 Meter an. Bis zum Morgen des 20. Februar 1999 fielen rund 20 cm Neuschnee. In den tieferen Lagen wurden 10 bis 20 mm Regen gemessen. Am 21. Februar 1999 00 UTC war in den Osten wieder etwas kühlere Luft eingeflossen. Die Temperaturen lagen zwischen –5°C im Westen und – 8°C im Osten. Bis zum 21. Februar 1999 12 UTC gingen die Temperaturen bei starken Westwinden allgemein um etwa 2°C zurück. Am 21. und 22. Februar 1999 gab es bei einer Schneefallgrenze von rund 1800 Meter weitere, teils ergiebige Niederschläge. Die Katastrophenlawine von Evolène brach nach Ende der Wärmewelle während dieser intensiven Niederschläge am Sonntagabend dem 21. Februar 1999 um 20.30 Uhr los. Am Nachmittag des 22. Februar 1999 überquerte eine aktive Kaltfront mit stürmischen Winden und eingelagerten Gewittern die Alpen. Die Temperaturen fielen innerhalb weniger Stunden um rund 10°C. Am 23. und 24. Februar 1999 gab es bei rund –-15°C auf 2500 Meter weitere, recht intensive Schneefälle. Unter dem Einfluss eines schwachen Hochdruckgebietes, das von Frankreich über die Alpen zum Balkan zog, hörten die Niederschläge in der Nacht zum 25. Februar 1999 auf und die Temperaturen stiegen in der Folge auf tiefem Niveau markant an. Auch in der 3. Periode fiel in den nördlichen Regionenbedeutend mehr Schnee als gegen Süden. Im Berner Oberland, in der Zentralschweiz, in den Glarner Alpen, im Prättigau und im Samnaun betrug die Neuschneesumme in diesen neun Tagen mehr als 200 cm. Den grössten Neuschneezuwachs in diesem Zeitraum verzeichnete erneut die Vergleichsstation im Skigebiet von Elm, GL (1690 Meter) mit 447 cm. Aber auch im Berner Oberland an der Vergleichsstation Grindel (1950 m, oberhalb von Grindelwald) wurde mit 344 cm, ein sehr hoher Wert erreicht. Im Oberengadin und am Alpensüdhang war der Neuschneezuwachs bedeutend geringer. Am Alpennordrand lagen nun auf 1500 Meter fast durchwegs über 200 cm, im östlichen Berner Oberland sogar über 300 cm Schnee.
Wie extrem waren nun diese Schneefälle? Nicht aussergewöhnlich waren die täglichen Neuschneefälle. An einzelnen Orten gab es zwar im Extremfall bis zu 100 cm Neuschnee innerhalb eines Tages. Gemäss dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos sind aber schon 24-stündige Starkschneefälle bis 150 cm registriert worden sein. Auch für die jeweiligen Gesamt-Neuschneesummen während den einzelnen Starkschneefall-Perioden sind Vergleichsfälle aus früheren Jahren in aller Regel leicht zu finden. Die vom 26. bis 29. Januar 1999 gefallenen Mengen entsprachen nur am westlichen Alpennordhang etwa einem 5-Jahres-Ereignis. Die Neuschneesummen vom 5. bis 10. Februar 1999 am Alpennordhang und im nördlichen Wallis sind alle 5 bis 10 Jahre zu erwarten. An einzelnen Messorten (Adelboden, Einsiedeln) wurden allerdings die bisher höchsten Neuschneesummen über 6 Tage registriert. Vom 17. bis 24. Februar 1999 wurden am Alpennordhang und in Nordbünden oberhalb 2000 Metern erneut Neuschneemengen von 250 cm bis 300 cm registriert. Auch dies ist nur alle 5 bis 10 Jahre zu erwarten. Ausnahme: 276 cm Neuschnee auf dem Weissfluhjoch sind Messrekord. Die einzelnen Starkschneefall-Perioden waren somit an den meisten Orten bei weitem keine Jahrhundertereignisse.
Über die ganze Zeit vom 26. Januar 1999 bis 24. Februar 1999 betrachtet war die Neuschneesumme hingegen extrem. Oberhalb 2000 Metern betrug sie 500 bis 700 cm(!). In Andermatt waren es rund 500 cm, in Davos 379 cm, in Adelboden 389 cm und in Scuol im Unterengadin 243 cm. An der Mehrheit der Messstellen am Alpennordhang und in Nordbünden wurden noch nie über 30 Tage hinweg so grosse Neuschneesummen angehäuft. Am 24./25. Februar 1999 wurden denn auch sehr beeindruckende Gesamtschneehöhen gemessen. Auf dem Weissfluhjoch lagen 346 cm Schnee, was ein Rekord seit Messbeginn 1959 ist. Und die Messstellen Andermatt, Davos, Säntis und Grimsel massen Rekordschneehöhen für den Monat Februar.
Die Frage nach dem Jahrhundert-Schneefall lässt sich so einfach nicht beantworten. Schneemessungen reichen nirgends bis 1901 zurück. Sodann kann man sich fragen: Was ist extremer? Die jetzt über 30 Tage gefallenden Neuschneesummen, oder 100 cm Neuschnee zusätzlich über 40 Tage, oder 100 cm weniger über 20 Tage. Wie extrem die Schneefälle tatsächlich waren, beschreibt am treffensten die Medienäusserung eines SLF-Mitarbeiters, wonach am ehesten noch die Lawinensituation im Jahre 1951 mit der Lage um den 22. Februar 1999 vergleichbar sei.
März 2006
Die Schneefälle, welche am Samstag, 4. März 2006 früh morgens einsetzten, blieben bis Sonntag Vormittag sehr intensiv. Verantwortlich dafür war eine Luftmassengrenze, die während etwa 36 Stunden nahezu ortsfest über der Alpennordseite blieb. Sie markierte eine sehr scharfe Grenze zwischen der aus Nordosten bis zum Mittelland vorstossenden Kaltluft und der bis zur Westschweiz liegenden milderen Luft. Diese beiden Luftmassen lieferten sich dabei über der Schweiz einen richtigen Kampf. Am Samstagnachmittag blies der 6°C bis 8°C milde Südwestwind noch bis zum Neuenburgersee mit voller Kraft, während östlich von Bern eine deutlich kältere Bise blies. Gegen Samstagabend setzte sich dann die kältere Luft zunehmend auch im westlichen Mittelland sowie in den Alpentälern durch. So fiel ein Teil der grossen Niederschläge in der westlichen Landeshälfte in Form von Regen, so dass dort die Schneemengen im Vergleich zur Nord- und Ostschweiz bescheiden blieben. In einer Region von Basel bis Schaffhausen sowie in der ganzen Ostschweiz fiel hingegen der ganze Niederschlag in Form von Schnee, ab Samstagabend sogar bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Zwischen Samstagmorgen 7 Uhr und Sonntagmorgen 7 Uhr kamen in diesen Regionen 45 bis 60 cm Neuschnee zusammen.
Die Ursache für die aussergewöhnlichen Schneefälle war eine von West nach Ost verlaufende, lang gestreckte Frontalzone. Entlang dieser Luftmassengrenze konnten sich mehrere Tiefdruckgebiete ausbilden. Das erste Tief Xandra führte am 3. März 2006 vorübergehend warme Luftmassen zu uns. Auf der Rückseite sickerte am Samstagmorgen (4. März 2006) wieder kühlere Luft ein, so dass mit der Niederschlagsabkühlung bald wieder Schnee bis in die Niederungen fiel. Die nachfolgende Warmfront von Tief Yuna konnte die Kaltluft in der Deutschschweiz nicht mehr verdrängen, da sich eine Gegenstromlage einstellte. Am Boden setzte wegen dem Druckfall Bise ein, während in der Höhe ein kräftiger WSW-Wind blies. Dies führte zu starken Hebungsvorgängen und sorgte u. a. dafür, dass die Schneefälle im Mittelland so intensiv ausfielen. Ausserdem bildete sich dadurch eine sehr markante Bodenfront aus. In der Westschweiz fiel deswegen lange Zeit Regen. In Genf wurde ein Tageshöchstwert von 10°C gemessen. In der Nacht auf Sonntag zog der Tiefkern von Yuna südlich der Schweiz vorüber, so dass die kalte Luft wieder nach Süden vorankommen konnte und die Aufgleitprozesse abstellten.
Klimatologische Einordnung des Ereignisses
Die leicht über der Innenstadt liegende Messstelle von Zürich verzeichnete 54 cm Neuschnee. Dies ist der höchste 24-stündige Neuschneezuwachs seit Beginn der Messungen 1931. Auch die Gesamtschneehöhe von 55 cm wurde seit Messbeginn mit 58 lediglich zweimal am 11. März 1931 und am 5. Februar 1952 überboten. In Basel fielen innert 24 Stunden 49 cm Schnee, was einem neuen Rekord seit Messbeginn 1931 gleichkommt. Bei einer Gesamtschneehöhe von 50 cm lag in Basel lediglich am 11. März 1931 noch mehr Schnee, nämlich 55 cm. Ausserordentlich hohe Schneemengen wurden auch aus der ganzen Ostschweiz bis zum Bodensee und St. Gallen gemeldet. Die Messstelle von St. Gallen meldete am Sonntagmorgen eine Schneedicke von 65 cm. 60 davon fielen allein innert 24 Stunden, wodurch der bisherige 24-stündige Höchstwert von 40 cm vom 4. Februar 1941 deutlich übertroffen wurde. Die sehr grossen Schneemassen verursachten nicht nur im Verkehr grosse Probleme. Da der Schnee bis zum Samstagabend zum Teil recht feucht und damit schwer war, blieb die ganze Schneeschicht auf den Bäumen, welche da und dort unter der Last umstürzten.
Aprilschnee bis ins Flachland
Genau einen Monat nach den Rekordschneefällen in der Nord- und Ostschweiz hat sich Anfang April der Winter noch einmal mit aller Kraft bis ins Flachland zurückgemeldet. Nachdem am Dienstag, 4. April 2006 ausgesprochen sonniges und 13°C bis knapp 15°C mildes Frühlingswetter herrschte, stellte sich die Wetterlage in der Nacht auf den Mittwoch, 5. April 2006 markant um.
Ähnliche Wetterlage wie bei den Rekordschneefällen vor Monatsfrist
Auch im vorliegenden Fall war eine aktive Luftmassengrenze in Verbindung mit einer so genannten Gegenstromlage für die markanten Niederschläge verantwortlich. Im Bereich der Luftmassengrenze, welche recht lange stationär über dem Mittelland lag, herrschten in den oberen Schichten südwestliche Höhenwinde. Diese brachten feuchte und eher milde Luftmassen von der Iberischen Halbinsel zur Alpennordseite. Gleichzeitig herrschten unterhalb von etwa 1300 Meter nordöstliche Winde vor. Diese führten kalte Festlandluft aus dem Nordosten Deutschlands zu uns. Diese Konstellation begünstigt Aufgleitvorgänge und damit die Niederschlagsbildung.
Niederschlagsabkühlung sorgte für ein rasches Absinken der Schneefallgrenze
Bereits in der Nacht auf den Mittwoch setzten in der westlichen Landeshälfte kräftige Niederschläge ein. Bis am frühen Morgen fielen zwischen dem Neuenburgersee und dem Emmental bereits 15 bis 20 mm Niederschlag. Aufgrund der hohen Niederschlagsintensitäten machte sich die Niederschlagsabkühlung bemerkbar. Dabei entziehen die schmelzenden Schneeflocken auf dem Weg Richtung Erdboden der Umgebungsluft Wärme - bei wenig Wind kühlen sich die unteren Luftschichten dabei sukzessive ab und die Schneefallgrenze kann allmählich bis in tiefe Lagen sinken. Die Niederschlagsabkühlung ist an und für sich ein bekanntes Phänomen und wirkt vor allem in den Alpentälern aufgrund des geringeren Luftvolumens sehr effizient. Allerdings sind die genauen Auswirkungen dieses Prozesses recht schwierig zu prognostizieren. Etwas überraschend schneite es deshalb in den Regionen Bern, Emmental und am Bielersee bereits am frühen Morgen bis in tiefe Lagen. In der Ajoie und im Raum Basel hingegen waren die Schneefälle in den Morgenstunden nicht sehr überraschend, da die bodennahe Kaltluft von Norden her wie erwartet durch die oberrheinische Tiefebene eingesickert ist. Tagsüber schneite es mit Ausnahme der Genferseeregion im Flachland der Alpennordseite recht verbreitet, während weniger intensiven Niederschlagsphasen ging der Schnee in den tiefsten Lagen des Mittellandes zeitweise in Schneeregen oder Regen über.
Vereinzelt neue Rekordwerte für den April an den Stationen mit kürzeren Beobachtungsreihen
Schneefälle bis ins Flachland sind in der ersten Aprilhälfte eigentlich kein aussergewöhnliches Ereignis. Trotzdem wurden an einzelnen Stationen neue Höchstwerte für die 24-stündigen Neuschneemengen gemessen. Dies zum Beispiel an der Station Tänikon (536 Meter) im Thurgau, wo am Morgen des 6. April 2006 12 cm Schnee gemessen wurden. Dies ist die grösste 24-stündige Neuschneesumme seit Beginn der Messungen vor 35 Jahren. In Basel-Binningen (316 Meter), wo die tägliche Schneehöhe seit 75 Jahren (1931) systematisch erfasst wird, wurde mit 6 cm Neuschnee der zweithöchste Wert erreicht. Noch mehr Neuschnee wurde am 1. April 1952 mit 10 cm gemessen. An der Klimastation in Haidenhaus, TG (702 Meter) auf dem Seerücken wird die Schneehöhe seit 1964 gemessen, die 16 cm vom Morgen des 5. April 2006 ist in den 42 Beobachtungsjahren der dritthöchste Wert. Mehr Schnee lag im Monat April mit 26 cm nur im Jahre 1983 und mit 21 cm im Jahre 1975. An der Station Zürich/MeteoSchweiz wurden 11 cm Neuschnee gemessen, in der langjährigen Statistik bedeutet dies Rang 7.